Geschlecht & geschlechtliche Identität

Don’t panic – Do it!

Kurzvorstellung:

  • Tanja
  • Verheiratet, 3 erwachsene Kinder 
  • Führte viele Jahre Software Development Teams an mehreren Standorten in Teilzeit
  • Head of Digitalization und als Prokuristin Mitglied der Geschäftsleitung

 

Tanja - Die Frau in der vorderen Reihe!

Tanja Hochschild, Geschäftsleitung Würth Elektronik eiSos lächelnd an einer Bar

Interview

Fragen und Antworten aus dem Gespräch mit Tanja

Tanja: Ganz ehrlich? Meine erste Reaktion war, das kann ich nicht. Wie soll das denn gehen? Ich habe 3 kleine Kinder. Ich arbeite in Teilzeit. Meine Kolleginnen und Kollegen hatten mehr Berufserfahrung als ich. Wie soll das denn funktionieren?


Tanja: Ich habe mir überlegt, wie ich das angehen könnte. Ich suchte nach Vorbildern, doch die fand ich nicht. Ich zog mich zurück und habe mich vor ein weißes Blatt Papier gesetzt. Ich habe mir überlegt, was braucht ein Software Development Team von einer Führungskraft? Was würde ich mir von meinem Chef wünschen? Wie gehe ich damit um, dass ich die Hälfte der Arbeitszeit meines Teams nicht anwesend bin? Und was braucht es in einer Drucksituation, wenn z.B. die Systeme ausfallen und ich abwesend bin?
 


Tanja: Ich definierte, was die wichtigen Funktionen einer Teamleitung sind und was hinter den Funktionen steckt. Wer kann sie vertretungsweise übernehmen und was bräuchte diese:r Mitarbeitende, um handeln zu können? Mein Ziel war es, Verhaltenssicherheit für die Teammitglieder zu schaffen, gerade in Zeiten, in denen ich nicht greifbar bin. Da hilft Transparenz, viel Informationsaustausch und klare Verantwortlichkeiten. Herausgekommen ist ein rollierendes System mit viel Delegation. Doch das Wichtigste fehlte noch: Wie ich meine Haltung, die hinter meinen Entscheidungen steckt, an meine Mitarbeitenden weitergeben könnte. Denn erst damit trafen sie im Alltag Entscheidungen, die auch in meinem Sinne waren. Und ich war wirklich verblüfft, aber es hat funktioniert. Nicht gleich zu Beginn, aber Schritt für Schritt.


Tanja: Das klingt jetzt sicherlich etwas schräg. Aber wie bei mathematischen Aufgabenstellungen habe ich die Herausforderungen systematisch in Mengen aufgeteilt. Entstanden sind daraus Rollen mit ganz unterschiedlichen Aufgaben und Verantwortlichkeiten. Keine Workflows oder starre Regeln, vielmehr war und ist es mir wichtig, dass meine Intention das Ziel von den Teammitgliedern wird. Wo mir das gelingt, sind auch die Entscheidungen super – und besser, als hätte ich mir alleine etwas ausgedacht. Es war und ist eine großartige Zeit mit großartigen Teams und so manchen guten Wegbegleitenden.

 

Doch wichtig ist gerade auch für uns Frauen, dass neben der Situation am Arbeitsplatz auch die Familie eine wichtige Rolle spielt. Wir haben immer wieder gemeinsam nach Wegen gesucht, wie unser Alltag funktionieren kann. Ein Dank geht da auch an meinen Mann. Manches Mal hatte ich ein schlechtes Gewissen. Heute sind meine Kinder groß und finden, es ist super gelaufen. Aber es gab Momente, da war ich unsicher.


Tanja: Vermutlich typisch weiblich. Es fehlten mir Vorbilder – um mich herum waren nur Männer in Vollzeit. Das ist heute in meinem Umfeld bei Würth Elektronik ganz anders. Heute kann ich über meine Reaktion nur schmunzeln, aber damals war das wirklich eine Herausforderung.


Tanja: Keine einfache Frage. Ich würde sagen, wir sind heute überzeugt davon, dass Männer und Frauen heute bereits gleichberechtigt sind und Gleiches leisten können. Doch unter Druck fallen wir zurück in alte Rollenmuster.


Tanja: Loslassen können und meinen Mitarbeitenden vertrauen. Das habe ich über die Jahre gelernt und das teile ich mit meinen männlichen Kollegen.


Tanja: Auf allen Ebenen im Unternehmen arbeiten wir in gemischten Teams zusammen. Wir gehen bewusst mit der Vielfalt um, um so die besten Ideen und Entscheidungsoptionen zu finden, die uns stark für die Zukunft machen.


Tanja: Wenn wir neue Stellen besetzen, neigen wir dazu, Potentiale in Menschen zu entdecken, die uns ähnlich sind. Doch dann werden Männer immer wieder Männer ernennen. Deshalb sollten wir Besetzungsprozesse transparent gestalten. Erst wenn wir formulieren, welche Erfahrung, welche Fähigkeit wir brauchen, dann wird der Blick weiter und wir finden noch ganz andere Talente.


Tanja: Ich habe meinen Weg gefunden, ich fühle mich gleichberechtigt und geschätzt aufgrund meiner Fähigkeiten. Ich war und bin ein Teil von tollen Teams und ich habe verstanden: Macht kommt von „Machen“, von „Gestalten“. Und das motiviert mich immer wieder aufs Neue.

Ich möchte heute unsere jungen Frauen ermutigen, sich auf den Weg zu begeben und den jungen Männern zurufen „WE lead together“. Ich bin heute die erste Frau in unserer Geschäftsleitung und ich wünsche mir, dass sich das verändert.